Wie viele Geschlechter gibt es? 5 wichtige Punkte zum Thema Geschlechtsidentität

Geschlechtsidentität als Sonnensystem: Verschiedene Geschlechtersymbole umkreisen den Stern "Geschlechtsidentität".

1. Was bedeutet Geschlechtsidentität?

Die Geschlechtsidentität ist das innere Wissen darüber, welches Geschlecht ich habe. Wir sagen dazu auch geschlechtliches Selbstverständnis oder geschlechtliches Selbsterleben. Der Begriff ist für viele erst einmal neu. Warum? Über Geschlechtsidentitäten wird meistens nur gesprochen, wenn sie von dem abweichen, was wir erwarten. Aber eigentlich haben alle Menschen eine Geschlechtsidentität.

Geschlechtsidentität ist nicht das gleiche, wie Geschlechterrollen: Geschlechterrollen sind das, was andere von uns erwarten, weil wir männlich oder weiblich sind, oder sein sollen.

Geschlechtsidentität ist das, was wir selbst über unser Geschlecht wissen, egal, was andere uns sagen. Wie dieses innere Wissen entsteht, weiß niemand sicher. Es lässt sich aber nicht ohne Weiteres beeinflussen oder ändern. Die Geschlechtsidentität kann und soll niemandem aufgezwungen werden.

2. Cis und trans*: Wie hängen Geschlechtsidentität und Körper zusammen?

Die meisten von uns haben Geschlecht vor allem als etwas kennen gelernt, das wir am Körper festmachen. Körper sind aber unendlich vielfältig, sie lassen sich nicht in ein, zwei oder drei Geschlechterschubladen einteilen (mehr dazu könnt ihr hier lesen) und Geschlecht lässt sich nicht allein über körperliche Merkmale festlegen. Wenn es darum geht, welches Geschlecht ein Mensch hat, ist deshalb am wichtigsten, was er_sie über sich weiß und mitteilt – also das geschlechtliche Selbsterleben.

Bei vielen Menschen stimmt das geschlechtliche Selbstverständnis mit dem Geschlecht überein, das ihnen bei Geburt zugewiesen wurde – sie sind cisgeschlechtlich, kurz cis. Aber nicht alle Menschen können oder wollen in dem Geschlecht leben, dem sie bei ihrer Geburt aufgrund körperlicher Merkmale zugeordnet wurden. Viele dieser Menschen verstehen sich als transgeschlechtlich oder trans*. Trans* ist ein Oberbegriff für sehr viele, sehr unterschiedliche Menschen – es gibt nicht die typische trans* Person, so wie es auch nicht die typische cis Person gibt.

Trans* Menschen wissen, ebenso wie cis Menschen, selbst am besten, welches Geschlecht sie haben. Trans* Männer sind Männer und trans* Frauen sind Frauen – genau wie cis Männer und cis Frauen. Dafür ist es nicht wichtig, wie ihre Körper aussehen und ob sie sich für oder gegen geschlechtsangleichende medizinische Maßnahmen entscheiden.

3. Wie viele Geschlechter gibt es?

Es gibt mehr als zwei Geschlechter – vielleicht so viele, wie es Menschen gibt. Nicht alle Menschen sind Männer oder Frauen.

Menschen, die weder männlich noch weiblich sind, gab es schon immer. Aber sie heißen und hießen zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Regionen der Welt nicht immer gleich.
In Deutschland wird „nicht-binär“ momentan als eine Art Sammelbegriff für alle Menschen verwendet, die weder männlich noch weiblich sind. „Binär“ heißt auf lateinisch „zwei“ und meint hier, dass in unserer Gesellschaft genau zwei Geschlechter anerkannt sind. Nicht-binäre Menschen passen also nicht in dieses Zweiersystem.

Wenn es mehr als zwei Geschlechter gibt, wie viele denn dann?

Diese Frage lässt sich nicht mit einer Zahl beantworten. Wir können nicht sagen: zwei sind es nicht, aber dafür drei, oder zehn, oder 60. Geschlecht ist ein Spektrum, mit vielen Möglichkeiten zwischen den beiden Polen männlich und weiblich. Oder ihr stellt euch Geschlecht wie ein ganzes Sonnensystem vor, das finden wir noch schöner.

Das eigene Geschlecht fühlt sich für jeden Menschen anders an. Bei manchen ändert sich dieses Gefühl im Laufe des Lebens und für manche Leute ist es überhaupt kein relevanter Teil ihrer Identität. Viele können sich in vorhandene Kategorien einordnen, andere können oder wollen das nicht. Deshalb gibt es auf die Frage, wie viele Geschlechter es gibt, keine einfache Antwort.

Es gibt unterschiedliche Begriffe, mit denen Menschen ihre Geschlechtsidentität beschreiben:

  • Nicht-binär: weder (nur) männlich noch (nur) weiblich, sondern zum Beispiel dazwischen, oder ganz anders.
  • Genderqueer: bedeutet ähnlich wie nicht-binär, dass ein Mensch weder (nur) weiblich, noch (nur) männlich ist.
  • Genderfluid: eine fließende und bewegliche Geschlechtsidentität, also zum Beispiel mal eher männlich, mal eher weiblich.
  • Bigender: Eine bigender Person hat zwei Geschlechtsidentitäten, die sich abwechseln, oder beide gleichzeitig da sein können.
  • Demigender: ein Begriff für Menschen, die sich teilweise mit einem Geschlecht identifizieren und teilweise mit einem anderen.
  • Demigirl: Ein Demigirl versteht sich teilweise als weiblich, teilweise nicht.
  • Demiboy: Ein Demiboy identifiziert sich nur teilweise als männlich.
  • Agender: Agender Personen fühlen sich gar keinem Geschlecht zugehörig. Sie haben also keine Geschlechtsidentität, oder empfinden Geschlecht nicht als relevanten Teil ihrer Identität.
  • Neutrois: Neutrois Personen haben eine neutrale Geschlechtsidentität.

Im Video erzählen JJ und Najee von ihren Erfahrungen als nicht-binäre Personen:

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4. Was fordern trans* Menschen?

Trans* Personen – also Menschen, die sich nicht mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei Geburt zugewiesen wurde – haben es in unserer Gesellschaft immer noch alles andere als leicht. Sie können zum Beispiel weiterhin ihren Personenstand (den Geschlechtseintrag in allen offiziellen Dokumenten) nicht einfach selbst wählen. So steht es noch immer im veralteten Transsexuellengesetz (TSG). Das TSG schreibt ein langwieriges und teures Verfahren vor, bei dem sich trans* Personen begutachten lassen müssen und bei dem am Ende ein Gericht entscheidet, ob der Name und Geschlechtseintrag geändert werden.

Das soll sich ändern: Organisationen und Aktivist_innen, die sich für die Rechte von trans* Personen einsetzen, fordern seit langem die Einführung eines Selbstbestimmungsgesetzes anstelle des TSG. Endlich ist es auch soweit: Ab dem 01. November 2024 soll das neue sogenannte Selbstbestimmungsgesetz in Kraft treten. Das Gesetz soll die Änderung des Vornamens und des Personenstands erleichtern. Das Gesetz legt fest, dass volljährige Personen beim Standesamt eine „Erklärung mit Eigenversicherung“ abgeben müssen, und damit eine Änderung erwirken können.

Trans* Personen waren und sind bei Kämpfen für Gleichberechtigung und Anerkennung geschlechtlicher und sexueller Vielfalt an vorderster Front mit dabei – nicht nur in Deutschland. Sie haben zum Beispiel erreicht, dass Transgeschlechtlichkeit international nicht mehr als psychische Krankheit klassifiziert ist (Beschluss der Weltgesundheitsorganisation). Das muss jetzt umgesetzt werden!

Die Diskriminierung von trans* Personen muss aufhören. Gesetzlich, in Institutionen (also z.B. bei der Jobsuche) und auch gesellschaftlich. Es ist für uns alle wichtig, dass unsere Geschlechtsidentität anerkannt wird, ohne lächerlich gemacht oder für krank erklärt zu werden. Dass wir gehört und respektiert werden, wenn wir sagen wer wir sind, wie wir angesprochen werden möchten und was uns wichtig ist. Egal ob cis oder trans*, Mann oder Frau, oder weder noch – wir wissen selbst am besten, wer wir sind!

Feministisches Spannungsfeld: einerseits cis Frauen stärken, andererseits trans* inklusiver Feminismus.

5. Ist Trans* nicht nur ein Trend?

Nein, Trans* ist kein Trend. Diese Annahme hören wir immer wieder, vor allem als Reaktion darauf, dass sich heutzutage mehr Menschen als trans* outen, als noch vor 10 oder 20 Jahren. Dass sich mehr Leute outen, heißt aber nicht, dass es früher weniger Menschen gab, die nicht in die zweigeschlechtliche Norm passen konnten oder wollten. Es heißt vor allem: Heute bekommen mehr Menschen die Informationen, die sie brauchen, um zu erkennen, dass sie trans* sind. Sie finden Worte für das, was sie fühlen und wahrnehmen. Und mehr Menschen fühlen sich sicher genug, um sich als trans* zu outen, weil Diskriminierung und Gewalt abgenommen haben, weil Transgeschlechtlichkeit sichtbarer geworden ist, und weil trans* Personen mehr Unterstützung bekommen. Das ist gut so!

Trans* Sein ist nichts Schlechtes oder Gefährliches, ganz im Gegenteil. Eine Gesellschaft, in der alle so leben können, wie sie sind und wie es sich für sie richtig anfühlt, kommt allen Menschen zugute – egal ob trans*oder cis.

Mehr dazu:

  • In der Broschüre „Soll Geschlecht jetzt abgeschafft werden“, herausgegeben von Bundesverband Trans* und LSVD, gibt es Antworten auf 12 häufige Fragen rund um Transgeschlechtlichkeit und das geplante Selbstbestimmungsgesetz.
  • Das Video „Trans 101 – The Basics“ erklärt (auf Englisch): Was heißt eigentlich Trans*?
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Literatur