„Gendern“ und geschlechtergerechte Sprache: 6 wichtige Punkte

Wenn von „Gendern“ die Rede ist, geht es um geschlechtergerechte Sprache, in der nicht nur Männer explizit genannt werden. Geschlechtergerechte Sprache ist vielen Menschen wichtig, denn inzwischen wissen wir: Sprache ist nicht nur ein Abbild der Welt um uns herum, sie hat auch einen Einfluss darauf, wie wir diese Welt wahrnehmen. Darum und um verschiedene Optionen, die eigene Sprache zu „gendern“, geht es hier!

1. Warum sollte ich geschlechtergerechte Sprache verwenden?

Vater und Sohn fahren im Auto. Sie haben einen Unfall, bei dem beide verletzt werden. Sie werden in ein Krankenhaus gebracht, in dem ein bekannter Chirurg arbeitet. Die Operation des Jungen wird vorbereitet, alles ist fertig, als der Chirurg erscheint, blass wird und sagt: „Ich kann nicht operieren, das ist mein Sohn!“

Verwirrt? Der Chirurg in der Geschichte ist eine Chirurgin. Wenn zum ersten Mal das Wort „Chirurg“ fällt, denken die meisten aber erst einmal an einen Mann im weißen Kittel. Natürlich könnte der Junge in der Geschichte auch zwei Väter haben. Dennoch, dieses und andere Beispiele zeigen: Sprache hat einen Einfluss darauf, was wir uns vorstellen und damit auch darauf, was wir uns vorstellen können und was wir für normal halten. Ursprünglich waren Frauen in der männlichen Form auch gar nicht mitgemeint. Die kommt nämlich aus einer Zeit, in der Frauen viele Berufe nicht ergreifen durften, in der es also tatsächlich keine Chirurginnen gab. Das hat sich geändert – nur unsere Sprache sendet noch immer die alten Signale. Es sind eben nicht alle #mitgemeint!

2. Machtverhältnisse zeigen sich in Sprache!

Warum wird „schwul“ als Beleidigung verwendet? Warum gab es in Deutschland eine lange Debatte, ob rassistische Begriffe in Kinderbüchern ok sind? Warum beschwert sich niemand über die Einführung von „Entbindungspfleger“, statt auch Männer Hebammen zu nennen? Und warum gibt es das Wort „Putzkraft“, obwohl doch in „Putzfrau“ auch Männer mitgemeint sein könnten?

Unsere Welt ist nicht frei von Machtstrukturen und Ungleichheit. Das wirkt sich auf Zugänge zu Ressourcen wie Geld oder Bildung aus – aber eben auch auf Sprache. Und gleichzeitig werden diese Strukturen auch durch Sprache immer wieder verstärkt!

3. Wie „gendere“ ich richtig?

Bekannte Möglichkeiten, geschlechtergerechter zu schreiben und zu sprechen, sind:

  • Binnen-I, z.B. „ChirurgInnen“: Hier sind die männliche und die weibliche Form sichtbar. Die Sprache bleibt aber binär, das heißt andere Geschlechter als männlich und weiblich kommen nicht vor.
  • Schrägstrich, z.B. „Schüler/-innen“: Hier gilt das gleiche wie beim Binnen-I.
  • Geschlechtsneutrale Formulierungen, z.B. „Studierende“: Geschlechtsneutrale Worte sind eine gute Alternative zu anderen Schreibweisen, finden wir. Das geht natürlich nicht bei allen Begriffen, aber bei vielen.
  • Generisches Femininum, z.B.: „Politikerinnen“. Hier wird der Spieß umgedreht – die weibliche Form für alle. Das irritiert viele Menschen und kann damit natürlich ein Bewusstsein dafür schaffen, dass es eben nicht so einfach ist, mit dem mitgemeint sein. Gleichzeitig werden hier wieder nicht mehrere Geschlechter sichtbar.
  • Gender Gap (Unterstrich), z.B. „Handwerker_innen“: Bei dieser Schreibweise steht der Unterstrich für vielfältige Geschlechter zusätzlich zu männlich und weiblich. So werden mehr als zwei Geschlechter sprachlich wahrnehmbar gemacht. Der Unterstrich wird als kurze Pause im Wort gesprochen.
  • Gendersternchen, z.B. „Ingenieur*innen“: Wie auch beim Unterstrich, werden mit dem Gendersternchen mehr als zwei Geschlechter in der Sprache wahrnehmbar.
  • Doppelpunkt, z.B. „Freund:innen“: Auch der Doppelpunkt soll vielfältige Geschlechter in der Sprache wahrnehmbar machen. Einige Menschen verwenden ihn, weil sie denken, er würde Barrieren für blinde und sehbehinderte Menschen abbauen. Diese nutzen oft sogenannte Screenreader, um sich Websites und andere Texte am Bildschirm vorlesen zu lassen. Screenreader erkennen aber Sonderzeichen wie das Sternchen und den Unterstrich nicht als geschlechtergerechte Sprache und überlesen sie, oder lesen sie extra vor. Damit ist das Zuhören schwieriger. Manche denken, der Doppelpunkt wäre hier besser – das ist aber nicht richtig. Um Barrieren für blinde und sehbehinderte Menschen abzubauen, sollten gar keine Sonderzeichen verwendet werden, sondern z.B. geschlechtsneutrale Wörter (mehr dazu gibt es auf der Website des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbands).

Wenn wir auf dieser Seite „Chirurg_innen“ oder „Politiker*innen“ schreiben, geht es uns nicht nur um Frauen und Männer, sondern auch um alle anderen Geschlechter. Nicht-binäre Menschen, die irgendwo zwischen männlich und weiblich oder ganz anders sind, werden oft genug unsichtbar gemacht. Da machen wir nicht mit! Alle Menschen müssen gesehen und respektiert werden. Die vielen verschiedenen Lebensrealitäten und Erfahrungen, die es in unserer Gesellschaft gibt, sollen auch in den Geschichten vorkommen, die wir einander erzählen.

4. Wie verwendet man das Gendersternchen und den Gender Gap?

Wo kommen Unterstrich_ oder Sternchen* hin? Meistens da, wo die weibliche Endung im Wort anfinge. Also zum Beispiel:

  • ein_e Handwerker_in
  • zehn Zuhörer*innen
  • der*die Auftraggeber*in

Bei manchen Worten ist das nicht so einfach. Zum Beispiel bei „Bäuer*in“. Die männliche Berufsbezeichnung ist schließlich „Bauer“ und nicht „Bäuer“. Wie benutzt man hier das Gender *? Dafür gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, z.B.:

  • Bäuer_innen
  • Bauern_Bäuerinnen

Egal für welche ihr euch entscheidet: Es wird auf jeden Fall klar, dass ihr mehrere Geschlechter mitdenkt.

Es gibt auch ganz andere Versuche, eine neue, geschlechtsneutrale Schreib- und Sprechweise zu finden. Zum Beispiel, wenn als Endung ein X verwendet wird: „Professx“. Oder bei neuen Personalpronomen, sogenannten Neopronomen, wie „xier“, „sie_er“, „er_sie“ oder „sier“. Diese Pronomen verwenden manche Menschen, die weder männlich noch weiblich sind und deshalb nicht möchten, dass mit „er“ oder „sie“ über sie gesprochen wird.

5. Sprache verändert sich!

Für viele sind die Unterstriche und Sternchen erstmal eine Umstellung – das ist ok und darf auch mal schwer fallen. Klar ist aber auch: Sprache verändert sich, seit es Sprache gibt. Wir benutzen haufenweise Wörter, die es vor ein paar Jahren noch gar nicht gab. In die aktuelle Ausgabe des Duden (erschienen 2020) wurden rund 3.000 neue Wörter aufgenommen. Einige davon haben (wenig überraschend) mit der Corona-Pandemie zu tun: „Social Distancing“, „Atemschutzmaske“ und „Herdenimmunität“ zum Beispiel. Neu sind aber auch: „Gendersternchen“, „gendergerecht“ und „transgender“. Wir passen unsere Sprache nun mal an die Welt an, in der wir leben – schließlich nutzen wir sie, um über diese Welt zu reden.

6. Fehler machen ist okay!

Bei alldem nicht vergessen: Es geht nicht darum, immer alles zu wissen, alles richtig zu machen und andere ständig zu verbessern. Fehler sind erlaubt! Und Gendern ist natürlich nicht alles. Es gibt viele Möglichkeiten, sich gegen Ungerechtigkeit einzusetzen! Sowieso kann euch niemand vorschreiben, wie ihr zu sprechen habt. Aber Sternchen und Unterstriche sind eine gute Option wenn es darum gehen soll, respektvoll über Menschen zu sprechen, statt sie nur irgendwie mitzumeinen. Und wenn ihr euch mal unsicher seid, wie jemand angesprochen werden möchte: Nachfragen ist immer ok!

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