Intergeschlechtlichkeit: 3 wichtige Punkte

Intergeschlechtliche Menschen werden mit Körpern geboren, die nicht den medinizischen Normen von männlich und weiblich entsprechen.

„Intersexualität“, Intergeschlechtlichkeit oder Inter*: Wir geben hier einen kurzen Überblick darüber, was Intergeschlechtlichkeit ist, welche Erfahrungen viele intergeschlechtliche Menschen in unserer Gesellschaft machen und welche Forderungen sie haben.

1. Definition: Was heißt Intergeschlechtlichkeit?

Alle Menschen werden bei oder schon vor der Geburt anhand ihrer Genitalien einem Geschlecht zugeordnet – meistens männlich oder weiblich. Eigentlich sind für körperliche Geschlechtsmerkmale aber nicht nur die Genitalien relevant, sondern noch mindestens drei weitere Ebenen:

  • Chromosomen: XX gilt als weiblich, XY gilt als männlich.
  • Hormone: überwiegend Östrogen und Progesteron gelten als weiblich, überwiegend Testosteron gilt als männlich.
  • Keimdrüsen: Eierstöcke gelten als weiblich, Hoden gelten als männlich.
  • Genitalien: Vulva und Vagina gelten als weiblich, Penis gilt als männlich.

Ein Mensch mit XX-Chromosomen, Vagina, Eierstöcken und überwiegend Östrogen gilt als weiblich. Ein Mensch mit XY-Chromosomen, Penis, Hoden und überwiegend Testosteron gilt als männlich. Sind bei einem Menschen manche dieser Ebenen männlich und andere weiblich, oder andersherum, gilt er medizinisch als „intersexuell“. Inter* Menschen werden also mit Variationen der körperlichen Geschlechtsmerkmale geboren. Ihre Körper entsprechen nicht den normativen Vorstellungen davon, wie „männliche“ und „weibliche“ Körper aussehen.

„Intersexuell“ ist ein medizinisches Wort und wird deshalb von vielen Menschen abgelehnt. Wir sagen lieber intergeschlechtlich oder inter*. Außerdem ist „Intersexualität“ eine Diagnose. Das heißt, viele Ärzt_innen denken, Intergeschlechtlichkeit sei eine Krankheit. Das stimmt nicht! An intergeschlechtlichen Körpern ist nichts krank oder falsch. Sie haben kein „uneindeutiges“ Geschlecht: Sie sind eindeutig intergeschlechtlich. Inter* ist aber auch nicht einfach ein drittes Geschlecht: Die Körper intergeschlechtlicher Menschen sind zu vielfältig, um sie in einer Kategorie zusammenzufassen – wie die aller anderen Menschen auch. Es ist einfach nicht möglich, alle Körper in zwei oder drei Geschlechterschubladen einzuordnen.

Körper und Geschlechtsidentität sind nicht das gleiche. Inter* Menschen können deshalb, wie alle anderen Menschen auch, verschiedene Geschlechtsidentitäten haben, zum Beispiel weiblich, nicht-binär, männlich, oder trans*. Manche haben auch die Geschlechtsidentität inter*. Mehr zum Thema Geschlechtsidentität gibt es hier.

Viele Menschen finden erst in der Pubertät oder noch später heraus, dass sie intergeschlechtlich sind – schließlich werden Chromosomen und Hormone nicht einfach so kontrolliert. Und einige finden es nie heraus.

2. Was passiert, wenn ein intergeschlechtliches Kind zur Welt kommt?

Bestimmte Formen von Intergeschlechtlichkeit können schon vor der Geburt durch Methoden der Pränataldiagnostik festgestellt werden.

Nach der Geburt werden die Körper vieler intergeschlechtlicher Säuglinge durch Operationen und Hormone an medizinische Vorstellungen von männlich und weiblich angepasst – obwohl sie nicht krank sind. Das ist für viele intergeschlechtliche Menschen eine schlimme Erfahrung. Sie müssen oft immer wieder operiert werden und ein Leben lang Hormone nehmen. Häufig werden sie durch die OPs unfruchtbar gemacht und Nerven werden zerstört. Intergeschlechtlichkeit wird außerdem tabuisiert, das heißt es wird wenig darüber gesprochen. Eltern wird zum Beispiel immer noch oft gesagt, sie sollten ihren Kindern nicht erzählen, dass sie inter* sind. Unter all dem leiden viele inter* Menschen ein Leben lang.

Intergeschlechtlichen Menschen wird die Möglichkeit, selbst darüber zu bestimmen, was mit ihrem Körper passiert, also oft weggenommen (mehr zum Thema: Selbstbestimmung). Operationen an gesunden Kindern, die noch zu klein sind, um mitzuentscheiden, sind Menschrechtsverletzungen und müssen aufhören!

Seit März 2021 gibt es in Deutschland ein Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung. Es verbietet OPs und andere medizinische Behandlungen, die rein kosmetisch sind – das heißt, die nur dazu da sind, den Körper an die männliche oder weibliche Norm anzupassen. Auch OPs, die nicht nur kosmetisch sind, dürfen nur durchgeführt werden, wenn sie nicht aufgeschoben werden können, bis das Kind alt genug ist, um sich selbst für oder gegen einen Behandlung zu entscheiden.

Das Gesetz ist ein wichtiger erster Schritt, um inter* Kinder zu schützen! Gleichzeitig befürchten inter* Organisationen, dass Ärzt_innen es leicht umgehen können: Das Gesetz schützt nur Kinder mit der Diagnose „Variante der Geschlechtsentwicklung“. Das heißt, Mediziner_innen könnten anders diagnostizieren und das Verbot damit umgehen.

Inter* Organisationen und Aktivist_innen treten deshalb unter anderem dafür ein:

  • dass Eltern vor einem medizinischen Eingriff mit Berater_innen, die selbst inter* sind, sprechen sollen,
  • und dass alle Eingriffe an den Geschlechtsmerkmalen von Kindern gemeldet und dokumentiert werden.

Im Video erzählen Luca und Audrey von ihren Erfahrungen als inter* Personen und ihrer Vision einer besseren Welt:

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Mehr Informationen

3. Der Geschlechtseintrag „divers“ und mehr: Was fordern intergeschlechtliche Menschen?

Für viele inter* Personen waren und sind Austausch und Vernetzung mit anderen intergeschlechtlichen Menschen unglaublich wichtig und empowernd. Sie ermöglichen es, sich mit den eigenen Erfahrungen nicht allein zu fühlen, gestärkt und akzeptiert zu werden. Außerdem haben Organisationen von und für Inter* politisch und gesellschaftlich viel erkämpft.

Seit Januar 2019 gibt es in der BRD offiziell den dritten Geschlechtseintrag „divers“, zusätzlich zu „männlich“ und „weiblich“. Außerdem kann der Geschlechtseintrag offen gelassen werden. Das ist ein wichtiger Erfolg! Gleichzeitig bleibt viel zu tun: Um den Eintrag „divers“ zu bekommen, müssen inter* Personen eine ärztliche Bestätigung vorlegen, dass sie eine Variante der Geschlechtsentwicklung haben. Das kritisieren viele, weil damit wieder Ärzt_innen entscheiden sollen. Stattdessen sollten alle Menschen selbst bestimmen können, welcher Geschlechtseintrag für sie passt.

Es braucht außerdem noch viel mehr Wissen über Inter* und ihre Erfahrungen – bei Ärzt_innen, Politiker_innen, Eltern und uns allen.

Intergeschlechtliche Menschen sind gut und richtig, so wie sie sind – an ihnen und ihren Körpern ist nichts falsch!

Mehr dazu:

Literatur