„Selbstbestimmung“ ist ein sperriges Wort, das auf dieser Website ziemlich häufig vorkommt. Also was verbirgt sich dahinter?
1. Definition: Was heißt Selbstbestimmung?
Selbstbestimmung bedeutet, dass ich über mein Leben und darüber, was mit mir passiert, selbst entscheiden kann.
Wie und mit wem möchte ich leben? Wie will ich aussehen und womit will ich mich beschäftigen? Diese und ähnliche Entscheidungen sollten alle für sich treffen können. Es geht dabei also um Freiheit und darum, dass wir selbst am besten wissen, was wir wollen und was gut für uns ist. Aber: Wir dürfen frei über uns selbst entscheiden, solange wir damit anderen Menschen nicht schaden.
Selbstbestimmung taucht auch im Grundgesetz auf: als Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Auch da mit derselben Einschränkung: Die Rechte anderer und die Gesetze müssen geachtet werden.
2. Recht auf Selbstbestimmung
Das Recht auf Selbstbestimmung taucht auch im deutschen Grundgesetz auf, und zwar in Artikel 2:
„Artikel 2
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.“
(Grundgesetz Artikel 2, URL: https://www.bundestag.de/gg/grundrechte [24.07.23].)
3. Grenzen von Selbstbestimmung
Was einfach klingt, ist in der Praxis nicht immer einfach. Ein paar Beispiele:
- Eltern und Kinder: Eltern dürfen und müssen viele Entscheidungen für Kinder treffen, solange die noch klein sind. Aber irgendwann sollten Kinder mitentscheiden können – sie wissen oft ziemlich früh, was ihnen gut tut und was sie wollen. Hier muss zwischen den Rechten der Eltern und denen der Kinder abgewogen werden. (Mehr zum Thema: Kinderrechte)
- Religion: Es gibt ein Recht auf freie Religionsausübung. Deswegen dürfen zum Beispiel Eltern entscheiden, dass ihre Söhne beschnitten werden. Das widerspricht jedoch dem Recht auf körperliche Selbstbestimmung.
- Schwangerschaftsabbruch: Eine schwangere Person sollte selbst entscheiden dürfen, ob sie ein Kind zur Welt bringen möchte oder nicht. Gleichzeitig hat der Fötus, je älter er wird, auch Rechte. Deshalb ist in Deutschland ein Schwangerschaftsabbruch nur bis zur zwölften Woche möglich. Viele Schwangerschaften werden auch nur abgebrochen, weil das ungeborene Kind intergeschlechtlich ist oder eine Behinderung haben könnte. Um dieses Spannungsverhältnis geht es auch in der Grafik:
Es gibt also immer wieder Situationen, in denen die Rechte und Bedürfnisse verschiedener Menschen gegeneinander abgewogen werden müssen. Dabei ist ein Recht nicht wichtiger, nicht mehr oder weniger wert als ein anderes.
4. Sexuelle und geschlechtliche Selbstbestimmung
Gleichzeitig wird vielen Menschen ihr Recht auf Selbstbestimmung weggenommen, ohne dass sie irgendjemandem schaden (oder es irgendeinen anderen vernünftigen Grund gäbe). Zum Beispiel:
- Homosexualität ist in Deutschland erst seit 1994 nicht mehr strafbar. Das heißt, schwule Männer konnten bis in die 90er-Jahre wegen ihres Schwulseins verhaftet und verurteilt werden – obwohl ihre sexuelle Orientierung niemandem schadet.
- Intergeschlechtliche Säuglinge und Kleinkinder werden oft operiert, um ihre Körper an gesellschaftliche Vorstellungen von männlich und weiblich anzupassen. Medizinische Gründe dafür gibt es nicht – intergeschlechtliche Babys sind nicht krank. Die OPs verletzen das Recht auf körperliche Selbstbestimmung. Sie sind Gewalt und müssen aufhören.
- Trans* Personen müssen oft darum kämpfen, dass ihre Geschlechtsidentität anerkannt wird. Sie müssen beispielsweise lange, teure und häufig demütigende Verfahren durchmachen, damit ihr Geschlecht und ihr selbstgewählter Name in ihren Ausweis eingetragen werden. Auch das muss sich dringend ändern. Das soll sich durch das geplante Selbstbestimmungsgesetz ändern, das hoffentlich noch 2023 in Kraft tritt.