1. Ist „divers“ ein drittes Geschlecht?
„Divers“ ist seit dem 01. Januar 2019 der dritte Geschlechtseintrag in Deutschland, zusätzlich zu „männlich“ und „weiblich“. Es gibt außerdem die Möglichkeit, nichts eintragen zu lassen, den Geschlechtseintrag also offen zu lassen.
Vor der Einführung von „divers“ hatte eine intergeschlechtliche Person vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt. Sie wollte erreichen, dass es nicht nur „männlich“ und „weiblich“ als mögliche Geschlechtseinträge gibt, sondern eine positive dritte Option. Das Gericht gab ihr Recht und forderte die damalige Regierung dazu auf, einen solchen dritten Geschlechtseintrag zu schaffen.
„Divers“ ist also rechtlich das dritte anerkannte Geschlecht in Deutschland. Tatsächlich gibt es aber mehr als drei Geschlechter. Die Realität ist immer noch komplizierter und vielfältiger, als die rechtliche Situation.
2. Wer bezeichnet sich als divers?
Manche Menschen, die weder männlich noch weiblich sind, bezeichnen sich als divers. Es gibt aber noch viele weitere Begriffe für Geschlechter jenseits von männlich und weiblich. Und viele Menschen, in deren offiziellen Dokumenten „divers“ steht, nutzen diesen Begriff nicht, um ihr Geschlecht zu beschreiben. Sie bezeichnen sich stattdessen zum Beispiel als inter*, trans* oder nicht-binär.
Wenn ihr unsicher seid, welchen Begriff eine Person für sich nutzt und wie ihr sie richtig ansprechen könnt, ist es gut, zu fragen! Denn wir können Menschen nicht ansehen, welches Geschlecht sie haben und welches Pronomen wir nutzen können, um über sie zu sprechen.
Mehr zum Thema Intergeschlechtlichkeit könnt ihr hier nachlesen. Hier gibt es mehr Infos zu Geschlechtsidentität und Trans*. Und wenn ihr wissen wollt, was nicht-binär bedeutet, lest hier weiter.
3. Wie ist die rechtliche Situation rund um den Geschlechtseintrag „divers“?
Der Geschlechtseintrag ist in Deutschland Teil des Personenstands. Im Personenstand werden verschiedene Informationen zu einer Person dokumentiert – unter anderem die Geburt, Name und Namensänderungen, Ehe, Scheidung usw. Seit 2019 gibt es im Personenstandsrecht den Geschlechtseintrag „divers“, zusätzlich zu „männlich“ und „weiblich“. Dafür wurde ein neues Gesetz verabschiedet. Laut § 45b Personenstandsgesetz können Menschen mit „Varianten der Geschlechtsentwicklung“ ihren Geschlechtseintrag und Vornamen ändern lassen, wenn sie ein ärztliches Gutachten vorlegen. „Varianten der Geschlechtsentwicklung“ wird darin nicht definiert. Inzwischen ist aber klar, dass dieses Vorgehen nur intergeschlechtliche Menschen nutzen sollen. Trans* Personen sollen ihren Vornamen und Geschlechtseintrag weiter nur mithilfe des veralteten und diskriminierenden Transsexuellengesetzes (TSG) ändern können. Das ändert sich hoffentlich durch das Selbstbestimmungsgesetz, das die aktuelle Regierung plant.
Aber auch für inter* Personen ist das neue Gesetz ein Problem, denn sie sind damit immer noch von Ärzt*innen abhängig. Viele inter* Personen machen schlechte Erfahrungen mit Ärzt*innen und dem medizinischen System. Sie möchten, genau wie trans* und nicht-binäre Personen, selbst über ihren Namen und Geschlechtseintrag entscheiden, ohne sich dafür von Ärzt*innen begutachten zu lassen.
Viele inter* Personen leben als Männer oder Frauen und wollen „männlich“ bzw. „weiblich“ als Geschlechtseintrag haben. Für andere ist es enorm wichtig, dass es den Geschlechtseintrag „divers“ gibt und damit eine dritte Option, zusätzlich zu „männlich“ und „weiblich“. Und einige nutzen den Geschlechtseintrag „divers“ nicht, obwohl „männlich“ und „weiblich“ für sie nicht passen – z.B. weil sie damit mehr Diskriminierung erleben würden.
4. Heißt das, männlich und weiblich reichen jetzt überall nicht mehr aus?
Ja, das heißt es – das war aber auch schon so, bevor es den Geschlechtseintrag „divers“ gab. Es gibt und gab immer schon mehr als zwei Geschlechter.
Damit das alle wissen und trans*, inter* und nicht-binäre Personen nicht mehr diskriminiert werden, muss sich noch vieles ändern. Zum Beispiel:
- Alle Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen müssen darüber aufgeklärt werden, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt.
- In allen Dokumenten, Formularen und Unterlagen, in denen man das eigene Geschlecht angeben soll, muss es mehr Optionen als „männlich“ und „weiblich“ geben.
- Gewalt gegenüber trans*, inter* und nicht-binären Menschen muss aufhören – ebenso wie Gewalt gegenüber allen anderen – und es braucht mehr Unterstützung für diejenigen, die Gewalt erlebt haben.
- Gesellschaftliche Bereiche, die besonders stark in männlich/weiblich oder Männer/Frauen unterteilen, müssen das hinterfragen, und sich neue und andere Systeme ausdenken – z.B. der Sport.
- Diskriminierende Gesetze, wie das Transsexuellengesetz (TSG), müssen abgeschafft oder geändert werden.
All das passiert nicht von heute auf morgen, es braucht Zeit und das Engagement von vielen. Aber es geht dabei auch um viel: Um eine Welt, in der alle Menschen weniger von Geschlechterrollen eingeengt werden (mehr dazu hier) und damit freier aufwachsen und leben können – trans*, inter* und nicht-binäre Menschen ebenso wie cis- und endogeschlechtliche.